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Schweizerische Schenkungssteuer

Schweizerische Schenkungssteuer ist auf die deutsche Steuer anrechenbar

Schweizerische Steuer auf fünf Jahre vor einem Erbfall getätigte Schenkungen entspricht der deutschen Schenkungssteuer und ist auf diese anzurechnen.

Mit Urteil vom 4. Mai 2022 hat das Finanzgericht Düsseldorf entschieden, dass die ausländische Erbschaftsteuer (im Streitfall die schweizerische Erbschaftsteuer) auf die deutsche Schenkungssteuer gemäß § 21 ErbStG anrechenbar ist, wenn beide Steuern die identische Vermögensübertragung betreffen (Aktenzeichen: 4 K 2501/21 Erb).

Steuerberater Hergen Kassuba erachtet die Gerichtsentscheidung für richtig, da auf diese Weise die Doppelbesteuerung in Nicht-DBA-Fällen vermieden wird.

Zum Sachverhalt des vom Finanzgericht Düsseldorf entschiedenen Steuerfalls:

Die Klägerin begehrt die Anrechnung einer in der Schweiz gezahlten Steuer auf die deutsche Erbschaftsteuer.

Die Klägerin ist für einen Schweizer Arbeitgeber tätig und unterhält Wohnsitze sowohl in H-Stadt (Schweiz) als auch in G-Stadt. Am 15.1.2021 erhielt sie von A (Schenker), wohnhaft in H-Stadt (Schweiz), eine Schenkung i.H.v. 500.000 CHF. Die Klägerin reichte am 17.2.2021 eine Schenkungssteuererklärung ein. Mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Bescheid vom 22.2.2021 setzte der Beklagte (das Finanzamt) Schenkungssteuer i.H.v. 132.840 € gegen die Klägerin fest. Der Schenker verstarb am 00.3.2021.

Die Klägerin legte am 15.3.2021 Einspruch ein und begehrte die Anrechnung der in der Schweiz festzusetzenden Steuer nach § 21 des Erbschaftsteuer- und Schenkungssteuergesetzes (ErbStG). 

Diese werde die deutsche Steuerlast übersteigen, so dass die deutsche Steuer auf null Euro zu reduzieren sei.

Mit Schreiben vom 22.3.2021 teilte der Beklagte mit, dass die Anrechnung zunächst voraussetze, dass die Steuer in der Schweiz festgesetzt und gezahlt worden sei. Im Übrigen könne aber auch keine Anrechnung erfolgen, da es sich um zwei unterschiedliche Vorgänge handele. 

Der aktuelle Vorgang vom 15.1.2021 befasse sich mit einer Schenkung. Bei der in der Schweiz vorgenommenen Hinzurechnung von Schenkungen zum zu versteuernden Erbteil handele es sich um einen Erbschaftsteuervorgang. Die Zuwendung werde dem erbschaftsteuerpflichtigen Vermögen hinzugerechnet. Eine Anrechnung auf die deutsche Schenkungssteuer sei daher nicht möglich.

Mit Bescheid vom 29.3.2021 führte die H-Stadt (Schweiz) die Steuerveranlagung der Klägerin durch und setzte eine Erbschaftsteuer i.H.v. 200.000 CHF gegen die Klägerin fest. Mit Bescheid vom 1.4.2021 reduzierte die Stadt H ((Schweiz) die Erbschaftsteuer auf 190.000 CHF.

Mit Einspruchsentscheidung vom 7.10.2021 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. 

Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufrechterhalten. Zur Begründung führte der Beklagte an: § 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG setze vorliegend voraus, dass es sich bei der ausländischen Steuer um eine der deutschen Schenkungssteuer entsprechende Steuer handele. Der deutschen Schenkungssteuer stehe hier jedoch eine schweizerische Erbschaftsteuer gegenüber. Zudem seien die Steuern durch zwei unterschiedliche Sachverhalte ausgelöst worden. 

Die deutsche Schenkungssteuer sei durch die Schenkung am 15.1.2021 begründet worden, während die schweizerische Erbschaftsteuer erst durch den Tod des Schenkers entstanden sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 8.11.2021 Klage erhoben. Sie führt zur Begründung unter anderem an: 

Der Beklagte verkenne, dass es in den schweizerischen Bescheiden ausdrücklich heiße: „Die vorliegende Veranlagung besteuert nur die Schenkung an B, welche am 15.1.2021 erfolgt ist.“ Es werde also keine Erbschaft besteuert, sondern exakt die Schenkung, die bereits der Besteuerung des Beklagten zugrunde gelegen habe. 

Unerheblich sei, dass die Rechtsgrundlage hierfür das dortige Erbschaftsteuergesetz sei, das entsprechende Schenkungen bei der Festsetzung des erbschaftsteuerlichen Vermögens mit einberechne. Auf den Entstehungszeitpunkt der Steuer komme es insoweit überhaupt nicht an. Ebenso wenig könne es auf Begrifflichkeiten der Steuergesetzgebung im Kanton H-Stadt ankommen. Denn es genüge, wenn es sich im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG um eine entsprechende Steuer handele. 

Unabhängig davon, ob die Steuer dort als Erbschaftsteuer bezeichnet werde, ergebe sich aus dem Bescheid selbst, dass es sich um eine Besteuerung einer Schenkung handele, welche mit der vom Beklagten besteuerten Schenkung identisch sei.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich, den Schenkungssteuerbescheid vom 22.2.2021 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7.10.2021 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich, die Klage abzuweisen. Er verweist zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

  Der Beklagte hat die Anrechnung nach § 21 ErbStG zu Unrecht verweigert.

1. Nach dieser Vorschrift, die nach § 1 Abs. 2 ErbStG auch für die Schenkungssteuer gilt, ist bei nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unbeschränkt Steuerpflichtigen, die in einem ausländischen Staat mit ihrem Auslandsvermögen zu einer der deutschen Erbschaft-steuer entsprechenden Steuer herangezogen werden, sofern nicht die Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung anzuwenden sind, auf Antrag die festgesetzte, auf die erwerbende Person entfallende, gezahlte und keinem Ermäßigungsanspruch unterliegende ausländische Steuer insoweit auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen, als das Auslandsvermögen auch der deutschen Erbschaftsteuer unterliegt.

2. Unstreitig ist, dass die Klägerin in Deutschland der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) und ihr im Verhältnis zur Schweiz kein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zugutekommt, da insbesondere Art. 2 Abs. 1, Abs. 3 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Nachlass- und Erbschaftsteuern vom 30.11.1978 die deutsche Schenkungssteuer nicht erfasst. Weiter ist unstreitig, dass die fragliche, in Deutschland und der Schweiz besteuerte Zahlung von 500.000 CHF Auslandsvermögen i.S.d. § 21 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG darstellt und dass die schweizerische Steuer zu Lasten der Klägerin festgesetzt und gezahlt wurde sowie keinem Ermäßigungsanspruch unterliegt.

3. Entgegen der Auffassung des Beklagten entspricht die in Rede stehende schweizerische Steuer der deutschen Schenkungssteuer auch im Sinne der Norm.

a) Die Entsprechungsklausel setzt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) insbesondere voraus, dass die Besteuerung in beiden Staaten sich auf den gleichen Steuergegenstand bezieht (vgl. BFH, Urteile v. 15.6.2016 – II R 51/14, Bundessteuerblatt – BStBl. – II 2018, 194, Rn. 10 ff.; v. 26.4.1995 – II R 13/92, BStBl. II 1995, 540, Rn. 15; v. 6.3.1990 – II R 32/86, BStBl. II 1990, 786, Rn. 14). Dies ist hier – unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der jeweiligen Normen – zu bejahen.

b) Allerdings ist dem Beklagten zuzugeben, dass die schweizerische Steuer eine Erbschaft- und keine Schenkungssteuer ist. Das schweizerische Gesetz …erfasst schon nach seiner amtlichen Bezeichnung ausschließlich Erbschaften. Der hier maßgebliche § 6 Abs. 1 ErbStG … (Schweiz) bildet hiervon bei formaler Betrachtung keine Ausnahme.

 Dort heißt es:

„Schenkungen und Vorempfänge, welche in den letzten fünf Jahren vor dem Tode des Erblassers stattgefunden haben, (…) werden bei Festsetzung des erbschaftsteuerpflichtigen Vermögens mitberechnet“.

Hieran zeigt sich, dass der Schenkungsvorgang an sich nicht besteuert wird; vielmehr wird die Vorschenkung bei der Ermittlung der erbschaftsteuerpflichtigen Bemessungsgrundlage als Hinzurechnungsposition erfasst. 

Dementsprechend schuldet auch nicht nur die beschenkte Person die Erbschaftsteuer, sondern ordnet § 6 Abs. 2 ErbStG Luzern insoweit eine Gesamtschuld von Beschenkten und Erben an:

„Für die Entrichtung dieses Teiles der Steuer sind die Erben mit und neben dem Bedachten oder dessen Rechtsnachfolger solidarisch haftbar, jedoch nur bis auf den Betrag des Nachlasses. Dem Zahlenden bleibt das Regressrecht gewahrt.“

Auch nach dem Sinn und Zweck des § 6 Abs. 1 ErbStG H-Stadt (Schweiz) lässt sich die fragliche Steuer nicht als Schenkungssteuer einordnen. Die Schenkung hätte keine Steuern ausgelöst, wenn der Schenker nicht innerhalb von fünf Jahren nach dem Schenkungsvorgang verstorben wäre. Dass aus Sicht der Klägerin letztlich nur der geschenkte Geldbetrag der Besteuerung unterworfen wurde, ist dem Umstand geschuldet, dass die Klägerin nicht Erbin des Schenkers geworden ist und keine weiteren Vermögenspositionen erworben hat. So ist auch der Hinweis in den schweizerischen Steuerbescheiden zu verstehen, dass mit diesen „nur die Schenkung“ an die Klägerin besteuert werde (Bl. 20, 24 der Gerichtsakte). 

Missbrauchsvermeidung durch Berücksichtigung von Schenkungen nur innerhalb kurzer Fristen

Da Schenkungen im Gegensatz zu Erbschaften im Kanton H-Stadt nicht steuerbar sind, besteht die Gefahr, dass bei einem absehbar bevorstehenden Erbfall Vermögenswerte im Wege der vorweggenommenen Erbfolge schenkweise übertragen und so der Besteuerung entzogen werden. Nur diese Funktion als typisierte Missbrauchsregel rechtfertigt es, Schenkungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums vor dem Erbfall einer Steuer zu unterwerfen, obwohl Schenkungen im Allgemeinen nicht steuerbar sind. Die Klägerin wird daher so behandelt, als sei sie Erbin geworden und habe die Summe von 500.000 CHF nicht im Schenkungswege, sondern durch Erbfall erhalten. 

Anders als in Deutschland wird daher nicht eine freigebige Zuwendung, sondern eine Erbschaft besteuert.

c) Indes sprechen gewichtige Gründe dafür, die Anrechnung gleichwohl zuzulassen. Denn letztlich wird die identische Vermögensübertragung – der Übergang der Summe von 500.000 CHF – sowohl in Deutschland, als auch in der Schweiz besteuert. 

Ausgehend von einem identischen Lebenssachverhalt betrachtet das schweizerische Steuerrecht die Klägerin, wie dargestellt, im Ergebnis als Erbin, während das deutsche Steuerrecht von einer Schenkung ausgeht. 

Beide Betrachtungen schließen sich aber aus: Die Klägerin kann den fraglichen Geldbetrag nur entweder im Wege der Erbschaft oder im Wege der Schenkung erhalten haben. Wenngleich eine Doppelbesteuerung unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nach der Rechtsprechung des BFH nicht zwingend unzulässig ist und im Einzelfall auch durch Billigkeitsmaßnahmen behoben werden kann (BFH, Urteil v. 19.6.2013 – II R 10/12, BStBl. II 2013, 746, Rn. 30 ff., Rn. 37, m.w.N.; vgl. aber Jochum, in Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, § 21 ErbStG Rn. 10 (11/2020)), erscheint es formalistisch, die unterschiedliche rechtliche Einordnung zum Anlass zu nehmen, den identischen Vorgang einer doppelten Besteuerung zu unterwerfen.

Denn dem objektiv erkennbaren Telos des § 21 ErbStG, die Doppelbesteuerung von Vermögensübertragungen auch in Nicht-DBA-Fällen zu vermeiden, wird man nur gerecht, wenn die wirtschaftlichen und funktionalen Wirkungen der ausländischen Steuer in die Betrachtung mit einbezogen werden (Jochum, in Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, § 21 ErbStG Rn. 46 (11/2020); Eisele, in Kapp/Ebeling, § 21 ErbStG Rn. 6 (11/2021); Jülicher, in Troll/Gebel u.a., § 21 ErbStG Rn. 21 (5/2018)). Aus der Rechtsprechung des BFH ergibt sich zudem, dass die ausländische Steuer insoweit anzurechnen ist, als sie auf die besteuerte Zuwendung „entfällt“ (Urteil v. 7.9.2011 – II R 58/09, BStBl. II 2012, 40, Rn. 12, 24). Auch dies spricht gegen eine formalistische Betrachtung und für die Anrechnung.

Dieses Ergebnis wird durch das rechtskräftig gewordene Urteil des Finanzgerichts (FG) Köln vom 29.6.2011 (9 K 2690/09, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2012, 152, Rn. 37) bestätigt.

 Dem dort entschiedenen Fall lag eine ganz ähnliche Regelung des belgischen Steuerrechts zugrunde: Eine an sich steuerfreie Schenkung wurde der belgischen Erbschaftsteuer unterworfen, weil der Schenker binnen drei Jahren nach der Schenkung verstorben war. Das FG Köln bejahte eine Anrechnung auf die deutsche Schenkungssteuer und führte zur Entsprechungsklausel aus:

 „Da der Vater der Klägerin innerhalb von drei Jahren nach dieser Zuwendung verstorben ist, unterfällt diese Schenkung der belgischen Erbschaftsteuer, wird mithin auch zu einer der deutschen Erbschaftsteuer entsprechenden – ausländischen – Steuer herangezogen“ (Urteil v. 29.6.2011 – 9 K 2690/09, EFG 2012, 152, Rn. 37).

 Auch das FG Köln ging demnach, wenn auch ohne nähere Begründung, davon aus, dass die Entsprechungsklausel in derartigen Fällen einer Anrechnung einer ausländischen Erbschaftsteuer auf die deutsche Schenkungssteuer nicht entgegensteht.

4. Auch die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 Satz 4 ErbStG sind erfüllt. 

Nach dieser Regelung ist die ausländische Steuer nur anrechenbar, wenn die deutsche Steuer innerhalb von fünf Jahren seit dem Zeitpunkt der Entstehung der ausländischen Steuer entstanden ist. 

Dieser Wortlaut ließe sich zwar so verstehen, dass eine Anrechnung ausgeschlossen wäre, wenn die deutsche Steuer – wie hier – vor der ausländischen Steuer entsteht. 

Das FG Köln hat dies in seinem rechtskräftig gewordenen Urteil vom 29.6.2011 (9 K 2690/09, EFG 2012, 152, Rn. 56 ff.) jedoch anders gesehen. Der Senat folgt dieser Auffassung, da weder aus der Entstehungsgeschichte (vgl. BT-Drucks. VI/3418, S. 73) noch aus dem Telos der Norm Gründe erkennbar sind, eine Anrechnung in derartigen Fällen auszuschließen, solange die Entsprechungsklausel erfüllt ist. Insoweit wird auf die Ausführungen des FG Köln verwiesen, die der Senat sich zu eigen macht und denen sich auch die Finanzverwaltung angeschlossen hat (R E 21 Abs. 2 ErbStR 2019).

5. Die demnach vorzunehmende Anrechnung führt zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die ausländische Steuer von 190.000 CHF ist mit dem im Zeitpunkt der Steuerentstehung gültigen, amtlichen Devisenkurs umzurechnen (vgl. BFH, Urteil v. 26.4.1995 – II R 13/92, BStBl. II 1995, 540, Rn. 17, m.w.N.). Die Schenkungssteuer ist nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG mit der Ausführung der Schenkung am 15.1.2021 entstanden. Ausgehend vom zu diesem Datum gültigen Devisenkurs von 1,077 beträgt das Anrechnungsvolumen rund 176.416 € und übersteigt damit die festgesetzte Schenkungssteuer von 132.840 €.

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