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Erbschaft und Schenkungssteuer

Schenkungssteuer / Verfahrensrecht – Ist bereits die Anzeige der Schenkung beim Finanzamt oder erst die spätere Einreichung der Schenkungssteuererklärung für den Beginn der Festsetzungsfrist maßgeblich?

Schenkungssteuer / Verfahrensrecht – Ist bereits die Anzeige der Schenkung beim Finanzamt oder erst die spätere Einreichung der Schenkungssteuererklärung für den Beginn der Festsetzungsfrist maßgeblich?

Die Streitfrage, ob bereits die im Jahr 2014 beim Beklagten eingegangene Anzeige einer Schenkung nach § 30 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) oder erst die im Jahr 2015 angeforderte und abgegebene Schenkungssteuererklärung nach § 31 ErbStG die Beendigung der Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) bewirkt hat. liegt nun dem Bundesfinanzhof (BFH) zur Entscheidung vor (Aktenzeichen II R 1/23).

Wir sind gespannt wie sich der BFH dazu erklären wird. Die Vorinstanz hält als Beginn der Festsetzungsfrist den Zeitpunkt der Einreichung der Schenkungssteuererklärung für maßgeblich. Steuerberater Hergen Kassuba erklärt, dass ihn die Urteilsbegründung des mit der Sache befassten Finanzgerichts Münster überzeugt. Denn es entspricht der geltenden Rechtslage.

Aus den Gründen (FG Münster, Urteil vom 24. November 2022 – 3 K 3384/20 Erb):

„Unabhängig von der Frage, ob die noch im Jahr 2014 erfolgte Anzeige eines schenkungssteuerlichen Vorgangs wirksam war, war der mit dem Erlass des angefochtenen Bescheids geltend gemachte Steueranspruch aufgrund der im Jahr 2015 angeforderten und abgegebenen Schenkungssteuererklärung nicht wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen.”

Nach § 47 AO erlöschen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis unter anderem durch Verjährung (§§ 169 bis 171, §§ 228 bis 232 AO). Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung und Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO). 

Die Festsetzungsfrist beträgt für die Schenkungssteuer regelmäßig vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Sie beginnt grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 Alt. 1 AO).

1. Bei einer Schenkung unter Lebenden entsteht die Schenkungssteuer mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Im Streitfall wurde die Schenkung mit Zahlung des fälligen Kaufpreises für das nach dem Schenkungsvertrag von der GmbH des Klägers zu erwerbende Grundstück am 31.12.2014 ausgeführt, da erst in diesem Zeitpunkt die Schenkungsauflage erfüllt waren und der Kläger nach dem notariellen Grundstückskaufvertrag vom 20.08.2014 berechtigt war, die Umschreibung der GmbH als Eigentümerin im Grundbuch herbeizuführen.

 Der in ständiger Rechtsprechung des BFH entwickelte Grundsatz, wonach die Steuer bei einer freigebigen Zuwendung eines Grundstücks bereits entsteht, wenn die Vertragspartner die für die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlichen Erklärungen in notwendiger Form abgegeben haben und der Beschenkte aufgrund dieser Erklärungen in der Lage ist, beim Grundbuchamt die Eintragung der Rechtsänderung zu bewirken (BFH, Urteile vom 08.02.2000 II R 9/98, BFH/NV 2000, 1095; vom 02.02.2005 II R 26/02, BFHE 208, 438; vom 27.04.2005 II R 52/02, BFHE 210, 507) und der Eigentumsübergang letztlich auch erfolgt (BFH, Urteil vom 27.04.2005 II R 52/02, BFHE 210, 507), gelten auch bei sog. „mittelbaren Grundstücksschenkungen“ (vgl. R E 9.1 Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2019), wenn sich der Schenkungsgegenstand auf ein bereits bebautes Grundstück bezieht (vgl. Geck in: Kapp/Ebeling, ErbStG, § 9 Rz. 79.1).

2. Nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist dann, wenn eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, abweichend von § 170 Abs. 1 AO nicht mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, sondern mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erklärung, die Anmeldung oder die Anzeige eingereicht bzw. erstattet wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist. 

Ist die gemäß § 30 Abs. 1 oder 2 ErbStG bestehende Anzeigepflicht erfüllt worden und fordert das FA daraufhin gemäß § 31 Abs. 1 ErbStG die Abgabe einer Schenkungssteuererklärung, endet die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 

1 AO erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres nach dem Jahr der Steuerentstehung (BFH, Urteil vom 27.08.2008 II R 36/06, BFHE 222, 83, bestätigt durch BFH, Urteil vom 17.04.2013 Il R 59/11, BFHE 240, 512)

Die bloße Erstattung der Anzeige führt noch nicht zu einer endgültigen Beendigung der Anlaufhemmung (BFH, Urteil vom 17.04.2013 Il R 59/11, BFHE 240, 512). Nach dieser Auslegung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO, der sich der erkennende Senat anschließt, endete die Anlaufhemmung aufgrund der Einreichung der Steuererklärung am 26.02.2015 mit Ablauf des Jahres 2015, sodass der angefochtene Bescheid vom 12.11.2019 noch innerhalb der vierjährigen, mit Ablauf des Jahres 2019 endenden Festsetzungsfrist erlassen wurde. 

Da in dieser Steuererklärung die steuerbegründenden Umstände bereits hinreichend konkret dargelegt wurden, kommt es für die Berechnung der Festsetzungsverjährung nicht auf die erneut angeforderte, im Jahr 2019 abgegebene Steuererklärung an.

a) Nach dem Wortlaut des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO wird die Anlaufhemmung alternativ durch die Einreichung der Steuererklärung bzw. -anmeldung oder durch die Erstattung der Anzeige beendet. 

Diese Vorschrift enthält keine ausdrückliche Regelung der Frage, ob bereits eine ordnungsgemäß eingereichte Anzeige im Sinne des § 30 Abs. 1 oder 2 ErbStG die Anlaufhemmung endgültig beendet oder ob – sofern das Finanzamt nach Anzeigeerstattung zur Abgabe einer Schenkungssteuererklärung auffordert – diese Rechtsfolge erst in dem Zeitpunkt eintritt, in dem die Steuererklärung eingereicht wird und der Dreijahreszeitraum der Anlaufhemmung nicht schon vorher abgelaufen ist. Diese Frage ist im letzteren Sinne zu beantworten (BFH, Urteil vom 27.08.2008 II R 36/06, BFHE 222, 83).

Diese Auslegung steht nicht im Widerspruch zum ausdrücklichen Wortlaut der Norm, sodass ihr keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegenstehen. Nach dem Wortlaut des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist abweichend von Absatz 1 unter anderem dann, wenn eine Steuererklärung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung oder die Anzeige eingereicht wird.

 Der alternativen „oder“-Verbindung der beiden zur Beendigung der Anlaufhemmung führenden Handlungen des Steuerpflichtigen ist keine ausdrückliche Vorgabe des Gesetzgebers zur Gleich- bzw. Nachrangigkeit der beiden Handlungen zu entnehmen.

b) § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO soll verhindern, dass durch eine späte Einreichung der Steuererklärung, -anmeldung oder Anzeige die der Finanzbehörde zur Verfügung stehende Bearbeitungszeit (ggf. gezielt) verkürzt wird (BFH, Urteile vom 29.01.2003 I R 10/02, BFHE 20, 1; vom 06.07.2005 II R 9/04, BFHE 210, 65; vom 06.06.2007 II R 54/05, BFHE 217, 393)

Diesen Sicherungszweck – und damit die Verlängerung der vom Gesetzgeber grundsätzlich für ausreichend gehaltenen Vierjahresfrist – verknüpft § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit der Erfüllung einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter bzw. der für ihn zum Handeln Verpflichteten auferlegten Handlungspflicht (BFH, Beschluss vom 07.12.1999 II B 79/99, BFHE 190, 220). Diese Handlungspflicht erstreckt sich nach dem Wortlaut des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO gleichermaßen auf die Einreichung einer Anzeige als auch – nach Aufforderung durch das Finanzamt – auf die Einreichung einer Steuererklärung.

Dabei verkennt der Senat nicht, dass dem Kläger zugutezuhalten ist, dass er sich durch die Anzeige der Schenkung gesetzeskonform verhalten wollte und hat. 

Zutreffend weist er zwar darauf hin, dass bei der hier vertretenen Auffassung selbst dann, wenn der Steuerpflichtige die Anzeige unverzüglich innerhalb der in § 30 ErbStG geregelten Frist von drei Monaten tätigt, eine faktische Anlaufhemmung von bis zu sieben Jahren möglich wäre, wenn die Finanzverwaltung erst nach drei Jahren tätig wird und zur Abgabe der Steuererklärungen auffordert. 

Die Verjährungsfrist würde in diesem Fall – unter Außerachtlassung der schenkungssteuerspezifischen Anlaufhemmung des § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO – genauso lange betragen, wie sie unter Anwendung des Auffangtatbestands („spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist“) bei pflichtwidrig unterlassener Anzeige betragen würde. Dieses Ergebnis, welches vor dem Hintergrund des § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO nur bedingte Allgemeingültigkeit besitzt, ist jedoch angesichts der unterschiedlichen Zwecksetzungen der Anzeige einerseits und der Steuererklärung andererseits hinzunehmen.

c) Sofern das Finanzamt nach Erstattung der Anzeige zur Einreichung einer Steuererklärung gemäß § 31 Abs. 1 ErbStG auffordert, rechtfertigt sich nämlich eine (weitere) Anlaufhemmung aufgrund der unterschiedlichen Zwecksetzungen der Anzeige (§ 30 Abs. 1 und 2 ErbStG) einerseits und der Steuererklärung (§ 31 ErbStG) andererseits (BFH, Urteil vom 27.08.2008 II R 36/06, BFHE 222, 83). 

Für diesen Fall kann § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO nicht entnommen werden, dass der Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung im Hinblick auf die Anlaufhemmung keine Bedeutung zukommen soll.

aa) Die Anzeigepflicht soll – lediglich – die möglichst vollständige Erfassung aller Erwerbe sicherstellen und dient in erster Linie dazu, dem Finanzamt die Prüfung zu erleichtern, ob und wen es im Einzelfall zur Abgabe einer Steuerklärung aufzufordern hat. Demgegenüber hat die Steuererklärung ein Verzeichnis der zum Nachlass gehörenden Gegenstände und die sonstigen für die Feststellung des Gegenstands und des Werts des Erwerbs erforderlichen Angaben zu enthalten (§ 31 Abs. 2 ErbStG) und soll so die Erbschaftsteuer- bzw. Schenkungssteuerfestsetzung ermöglichen (BFH, Urteile vom 16.10.1996 II R 43/96, BFHE 181, 351; vom 10.11.2004 II R 1/03, BFHE 208, 33).

bb) Diesen unterschiedlichen Zwecksetzungen der Anzeige bzw. der Steuererklärung ist bei der Anwendung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO dadurch Rechnung zu tragen, dass bei einer ordnungsgemäßen Erstattung der Anzeige erst die dem Finanzamt nachfolgend durch die Einreichung der angeforderten Steuererklärung vermittelte Kenntnis zur (endgültigen) Beendigung der Anlaufhemmung führt. Nach den Wertungen des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO rechtfertigt sich der Beginn der Festsetzungsfrist nicht schon deshalb, weil das Finanzamt den Steuerpflichtigen bereits aufgrund der Anzeige zur Abgabe einer Steuererklärung auffordern und diese Aufforderung (etwa durch Anwendung von Zwangsmitteln, §§ 328 ff. AO) auch ggf. durchsetzen kann. Die Rechtsprechung zum Begriff der Kenntnis im Sinne des § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO, wonach die Finanzbehörde schon aufgrund der Anzeige regelmäßig die Schenkungssteuer – gegebenenfalls im Wege der Schätzung (§ 162 AO) – festsetzen oder von den Möglichkeiten des § 165 Abs. 1 Satz 1 und 4 AO Gebrauch machen könne (BFH, Urteil vom 06.06.2007 II R 54/05, BFHE 217, 393), kann nicht auf die Auslegung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO übertragen werden (BFH, Urteil vom 27.08.2008 II R 36/06, BFHE 222, 83). Dem steht der von § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO abweichende Wortlaut des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO, der ausdrücklich auf die Einreichung einer Steuererklärung abstellt, entgegen.“

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