Erbschaftsteuer bei US-Trust oder Kanada-Trust

Ist der Erwerb von Vermögen anlässlich der Auflösung eines common law trust in Deutschland schenkungssteuerpflichtig?

Mit dieser Frage hatte sich der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom vom 25. Juni 2021 – II R 40/18 zu befassen.

Dies hängt von verschiedenen Voraussetzungen ab: 

Den Feststellungen des BFH zufolge müsste der Erwerber der Schenkung seitens eines ausländischen Trusts zum Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung „Inländer“ sein, damit überhaupt die Erhebung deutscher Schenkungssteuer in Betracht kommt.

Der Beschenkte müsste also zur Zeit der Vermögens-Erwerbs entweder seinen Wohnsitz oder zumindest seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, also in Deutschland, gehabt haben. Der Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung ist der Moment, in dem das gebundene Vermögen zivilrechtlich wirksam auf den Anfallsberechtigten übergeht.

Weitere Voraussetzung ist, dass der Erwerb bei Auflösung eines anglo-amerikanischen Trusts als eine Schenkung im Sinne des deutschen Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes anzusehen sein. Nur wenn es sich zum maßgeblichen Zeitpunkt um einen Erwerb i. S. des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 1 ErbStG handelt, unterliegt die Zuwendung der Schenkungssteuerpflicht.

Leitsätze des BFH:

  • Der Erwerb bei Auflösung einer Vermögensmasse ausländischen Rechts ist in dem Moment ausgeführt, in dem das gebundene Vermögen zivilrechtlich wirksam auf den Anfallsberechtigten übergeht.
  • Zu welchem Zeitpunkt die einzelnen Vermögensgegenstände der Vermögensmasse auf den Erwerber übergehen, ist auf der Grundlage der dafür maßgebenden und nach den Regeln des Internationalen Privatrechts zu ermittelnden Rechtsordnung zu entscheiden.
  • Die Ermittlung ausländischen Rechts ist Aufgabe des FG als Tatsacheninstanz. In welchem Umfang das FG das ausländische Recht ermittelt, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen und ist von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängig; der Vortrag der Beteiligten ist zu berücksichtigen.

Sachverhalt:

Der Kläger ist britischer Staatsbürger. Er hatte bis November 2008 seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist Begünstigter (“beneficiary”) eines im Jahr 1961 nach dem Recht des Staats K errichteten Trusts. Das Vermögen des Trusts bestand aus Anteilen an einer nach britischem Recht gegründeten Limited (B), und aus Bargeld. Der Trust wurde von Treuhändern (“trustees”) mit Sitz in der Schweiz verwaltet. Am …12.2006 beschlossen die Treuhänder die Auflösung und Abwicklung des Trusts und die Ausschüttung des Trustvermögens an die Begünstigten. Ausweislich verschiedener Dokumente scheinen dem Kläger am …01.2009 Anteile an der B sowie Bargeld übergeben worden zu sein, während die Anteilsübertragung an der B möglicherweise am …01.2009 wirksam wurde.

Mit Bescheid vom 02.12.2013 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) für einen Erwerb vom …12.2006 aus der Zuwendung von Trustvermögen Schenkungssteuer gegen den Kläger fest. 

Der Erwerb erfülle die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungssteuergesetzes (ErbStG). Die Steuer sei mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung am …12.2006 entstanden. An diesem Tag habe der Kläger ein Forderungsrecht hinsichtlich der B-Anteile erhalten und im Verhältnis zum Schenker frei über die Anteile verfügen können.

Mit seinem Einspruch machte der Kläger geltend, er sei erst im Jahr 2009 Eigentümer des Trustvermögens geworden. Während der Liquidation habe er nicht frei über das Trustvermögen verfügen können. Mit Einspruchsentscheidung vom 17.09.2015 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

Im Verfahren vor dem Finanzgericht (FG) legte der Kläger verschiedene Unterlagen in englischer Sprache vor, u.a. die Errichtungsurkunde des Trusts vom …1961 sowie den Beschluss über die Auflösung des Trusts vom …12.2006. Die Klage hatte Erfolg

Das FG entschied, nach den vorgelegten Dokumenten seien die Verwalter des nicht jederzeit durch den Gründer widerrufbaren Trusts auch hinsichtlich der Auflösung und der Auskehrung des Vermögens in ihren Entscheidungen völlig frei und keinen Weisungen unterworfen gewesen.

Der Kläger habe das Vermögen des Trusts im Zusammenhang mit seiner Auflösung nicht bereits mit der Beschlussfassung der Trustverwalter über die Auflösung im Dezember 2006 erworben, sondern erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Übertragung des auf ihn entfallenden Anteils am Trustvermögen im Januar 2009. Zu diesem Zeitpunkt habe er nicht mehr über einen inländischen Wohnsitz verfügt. 

Die Situation gleiche der bei Auflösung eines auf die Bindung von Vermögen gerichteten rechtsfähigen oder nicht rechtsfähigen Vereins durch Mitgliederbeschluss nach deutschem Recht. Auch dort führe nicht der Auflösungsbeschluss, sondern erst die Auskehrung des Überschusses nach § 49 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zur Erfüllung des Erwerbstatbestands des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 ErbStG. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2018, 2063 veröffentlicht.

Mit der Revision macht das FA Verfahrensfehler sowie eine Verletzung von § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 1 ErbStG und § 39 der Abgabenordnung (AO) geltend.

Die Schenkungssteuer sei am …12.2006 –als der Kläger noch Inländer war– entstanden. Der Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung sei der Moment, ab dem die Vermögensgegenstände dem Kläger zugerechnet würden. Der für § 39 Abs. 1 AO maßgebende Eigentumserwerb richte sich nach ausländischem Recht; dazu habe das FG keine Feststellungen getroffen. Jedenfalls habe der Kläger mit dem Auflösungsbeschluss wirtschaftliches Eigentum nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO erworben. 

Die Stellung der Trustverwalter während der Trustabwicklung sei mit der eines Testamentsvollstreckers und eines “executors” oder “administrators” nach dem Recht des Staates New York vergleichbar. Dieser halte die Nachlassgegenstände treuhänderisch als “legal owner” (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 08.06.1988 – II R 243/82, BFHE 153, 422, BStBl II 1988, 808). Dennoch seien die Vermögenswerte jeweils dem Erben zuzurechnen. Der Trust habe nach dem Auflösungsbeschluss keine steuerliche Rechtspersönlichkeit mehr besessen.

Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

II.

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Auf Grundlage der getroffenen Feststellungen kann der BFH nicht abschließend beurteilen, wann die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 1 ErbStG erfüllt waren.

1. Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG), was bei Aufhebung einer Stiftung oder bei Auflösung eines Vereins, dessen Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist, erworben wird. Dem steht gleich der Erwerb bei Auflösung einer Vermögensmasse ausländischen Rechts, deren Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist (§ 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 1 ErbStG).

a) Die Regelungen über Vermögensmassen ausländischen Rechts in §§ 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2, 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG wurden durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 (StEntlG 1999/2000/2002) vom 24.03.1999 (BGBl I 1999, 402) in das bisherige ErbStG eingefügt. 

Sie sollten vor allem typische und in den anglo-amerikanischen Staaten gebräuchliche Formen des sog. common law trust erfassen (BFH-Urteil vom 03.07.2019 – II R 6/16, BFHE 265, 421, BStBl II 2020, 61, Rz 40, m.w.N.). 

Es handelte sich um eine Reaktion des Gesetzgebers auf die Rechtsprechung des BFH, der zufolge die bloße Errichtung sog. Testamentstrusts, die nicht auf alsbaldige Verteilung des Trustvermögens gerichtet waren, grundsätzlich weder beim Trustverwalter noch beim Begünstigten zu einem steuerbaren Erwerb führte, während die grundsätzlich mögliche Besteuerung der (kapitalisierten) zukünftigen Erträge unter Vollzugsdefiziten litt (vgl. 

BFH-Urteil vom 27.09.2012 – II R 45/10, BFHE 238, 540, BStBl II 2013, 84, Rz 13, 24, m.w.N. zur früheren Rechtsprechung; s.a. BFH-Urteil vom 15.07.2014 – X R 41/12, BFHE 246, 442, Rz 42). Nach der Begründung zum Gesetzentwurf des StEntlG 1999/2000/2002 vom 09.11.1998 sollte der Vermögensübergang auf den Trust bei seiner Errichtung und auf die Anfallsberechtigten bei seiner Auflösung als zusätzlicher Erwerbstatbestand in die §§ 3 und 7 ErbStG aufgenommen werden, da bisher die entsprechenden Gestaltungen eine Steuerpflicht entweder vermieden oder verzögert hätten (BTDrucks 14/23, S. 200).

b) Die nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG erforderliche Vermögensbindung ist bei einem Trust dann anzunehmen, wenn der Errichter bestimmt hat, dass die Trustverwalter das Vermögen im Interesse der später Begünstigten verwalten und auf diese im Rahmen einer sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Vermögensnachfolge übertragen sollen (BFH-Urteil in BFHE 238, 540, BStBl II 2013, 84, Rz 13).

2. Bei Schenkungen unter Lebenden tritt die Steuerpflicht für den gesamten Vermögensanfall gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 ErbStG u.a. dann ein, wenn der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer Inländer ist. Die Steuer entsteht nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung. Für Erwerbe bei Auflösung einer Vermögensmasse ausländischen Rechts i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 1 ErbStG ist Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung der Moment, in dem das gebundene Vermögen zivilrechtlich wirksam auf den Anfallsberechtigten übergeht 

(gl.A. Fumi in von Oertzen/Loose, Erbschaftsteuer- und Schenkungssteuergesetz, 2. Aufl., § 9 Rz 174; Fischer in Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, 7. Aufl., § 9 Rz 126; Gottschalk in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 9 Rz 111; Meincke/Hannes/Holtz, Erbschaftsteuer- und Schenkungssteuergesetz, Kommentar, 17. Aufl., § 9 Rz 58; Söffing in Götz/Meßbacher-Hönsch, eKomm ab 25.06.2017, § 9 ErbStG Rz 45, Aktualisierung vom 21.09.2021; BeckOK ErbStG/Felten, ErbStG § 7 Rz 382).

a) Kennzeichnend für eine Schenkung ist die Vermögensverschiebung, d.h. eine Vermögensminderung auf der Seite des Zuwendenden und eine Vermögensmehrung auf der Seite des Bedachten. Ausgeführt ist die Schenkung, wenn die Vermögensverschiebung endgültig ist. Das ist der Fall, wenn der Empfänger im Verhältnis zum Leistenden tatsächlich und rechtlich frei über das Zugewendete verfügen kann; denn die Schenkung setzt eine endgültige materielle Bereicherung des Bedachten voraus.

(vgl. BFH-Urteile vom 06.03.1985 – II R 19/84, BFHE 143, 291, BStBl II 1985, 382; vom 21.05.2001 – II R 10/99, BFH/NV 2001, 1404, unter II.1., und vom 06.05.2015 – II R 34/13, BFHE 250, 197, BStBl II 2015, 821, Rz 15). 

Eine Schenkung i.S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist grundsätzlich erst dann ausgeführt, wenn der Bedachte das erhalten hat, was ihm nach der Schenkungsabrede verschafft werden soll. Maßgebend ist der Eintritt des Leistungserfolgs.

(BFH-Urteil vom 20.01.2010 – II R 54/07, BFHE 228, 177, BStBl II 2010, 463, Rz 14 f.; BFH-Beschluss vom 28.07.2015 – II B 145/14, BFH/NV 2020, 891, Rz 4; mit Modifikationen bei der Grundstücksschenkung BFH-Urteil vom 23.08.2006 – II R 16/06, BFHE 213, 399, BStBl II 2006, 786, unter II.1.a).

b) Für die Beurteilung, ob der Leistungserfolg eingetreten ist, kommt es auf die Zivilrechtslage und nicht darauf an, wem bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise Vermögen nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zuzurechnen ist 

(ständige Rechtsprechung, BFH-Urteile vom 25.01.2001 – II R 39/98, BFH/NV 2001, 908, unter II.1.; vom 28.06.2007 – II R 21/05, BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669, unter II.1.a, und in BFHE 250, 197, BStBl II 2015, 821, Rz 15). 

Angesichts der bürgerlich-rechtlichen Prägung des Erbschaft- und Schenkungssteuerrechts findet § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO grundsätzlich keine Anwendung

(BFH-Urteile vom 22.09.1982 – II R 61/80, BFHE 137, 188, BStBl II 1983, 179, und in BFH/NV 2001, 1404, unter II.1.). 

Ist Gegenstand der Schenkung eine Position des bürgerlichen Rechts (wie bürgerlich-rechtliches Eigentum), genügt für den Eintritt des Leistungserfolgs daher nicht, dass der Bedachte die wirtschaftliche Herrschaftsmacht über das Zugewendete erhält. Endgültig ist die Vermögensverschiebung vielmehr erst dann, wenn die zivilrechtliche Rechtsposition übergegangen ist 

(vgl. BFH-Beschluss vom 01.02.2001 – II B 15/00, BFH/NV 2001, 1265; BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 1404, unter II.1.).

c) Diese für § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG entwickelten Grundsätze gelten auch für Erwerbe nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 1 ErbStG. Es besteht kein Anlass, § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG insoweit unterschiedlich auszulegen 

(ähnlich bereits für den Erwerbstatbestand nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG BFH-Urteil in BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669, unter II.1.b).

3. Beim Erwerb i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 1 ErbStG ist auf der Grundlage des jeweils für die ausländische Vermögensmasse maßgebenden ausländischen Rechts zu beurteilen, wann die Vermögensmasse aufgelöst worden und der Erwerb durch den Steuerpflichtigen eingetreten ist. Welcher Rechtsordnung die Rechtsverhältnisse der Vermögensmasse einschließlich ihrer Auflösung unterliegen und nach welcher Rechtsordnung sich ggf. der Übergang einzelner Vermögensgegenstände der Vermögensmasse auf den Erwerber vollzieht, richtet sich nach den Regeln des Internationalen Privatrechts. Dabei hat das FG das maßgebende ausländische Recht und den zugrundeliegenden Sachverhalt unter Beachtung der erweiterten Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen von Amts wegen zu ermitteln.

a) Das maßgebende ausländische Recht ist nach § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 293 der Zivilprozessordnung (ZPO) von Amts wegen zu ermitteln

(BFH-Urteile vom 07.12.2017 – IV R 23/14, BFHE 260, 312, BStBl II 2018, 444, Rz 37, und vom 22.03.2018 – X R 5/16, BFHE 261, 132, BStBl II 2018, 651, Rz 22).

aa) Das Gericht hat dabei nicht nur die ausländischen Rechtsnormen, sondern auch deren Anwendung in der Rechtspraxis zu ermitteln. Das Recht ist als Ganzes, d.h. in seinem systematischen Kontext, mit Hilfe der im ausländischen Rechtssystem gebräuchlichen Methoden und unter Einbeziehung der ausländischen Rechtsprechung und Rechtslehre zu erfassen (BFH-Urteil in BFHE 260, 312, BStBl II 2018, 444, Rz 37). Ggf. kann das Gericht amtliche Auskünfte bei Behörden des betreffenden Landes oder bei deutschen Botschaften, Konsulaten und Ministerien einholen oder ein Sachverständigengutachten z.B. eines wissenschaftlichen Instituts in Auftrag geben (vgl. BFH-Urteil in BFHE 260, 312, BStBl II 2018, 444, Rz 39).

bb) Wie das FG das ausländische Recht ermittelt, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Dabei lassen sich die Anforderungen an Umfang und Intensität der Ermittlungspflicht des Tatrichters nur in sehr eingeschränktem Maße generell-abstrakt bestimmen 

(vgl. BFH-Urteil in BFHE 261, 132, BStBl II 2018, 651, Rz 23; BFH-Beschluss vom 17.07.2019 – II B 35-37/18, BFHE 265, 14, BStBl II 2020, 394, Rz 18; Beschluss des Bundesgerichtshofs –BGH– vom 30.03.2021 – XI ZB 3/18, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 2021, 916, Rz 59 ff., jeweils m.w.N.). 

Geleitet wird die Ermessensausübung des FG durch die jeweiligen Umstände des Einzelfalls, insbesondere die sich anbietenden Erkenntnisquellen, aber auch den Vortrag der Beteiligten

(vgl. BFH-Urteil vom 17.12.2020 – VI R 22/18, BFH/NV 2021, 758, Rz 23; BGH-Beschluss vom 17.05.2018 – IX ZB 26/17, Monatsschrift für Deutsches Recht –MDR– 2018, 1079, Rz 19, m.w.N.).

 Die Komplexität ausländischen Rechts entbindet das FG nicht von seiner Ermittlungspflicht. Auch eine Entscheidung nach den Grundsätzen der Feststellungslast ist in diesem Bereich nicht möglich. Die ausländischen Rechtssätze werden nicht zu Tatsachen 

(vgl. BFH-Urteile vom 13.06.2013 – III R 10/11, BFHE 241, 562, BStBl II 2014, 706, Rz 29, und in BFHE 261, 132, BStBl II 2018, 651, Rz 23; BGH-Beschluss in MDR 2018, 1079, Rz 19, jeweils m.w.N.).

cc) Der Anwendungsbereich des § 293 ZPO bezieht sich nur auf Rechtsfragen und nicht auf entscheidungserhebliche Tatsachen. Für diese gelten die allgemeinen Anforderungen an die Darlegungs- und Feststellungslast 

(vgl. BGH-Urteil vom 25.06.2019 – X ZR 166/18, MDR 2019, 1303, Rz 25, m.w.N.). 

Das FG ist als Tatsacheninstanz gemäß § 76 Abs. 1 FGO von Amts wegen verpflichtet, den Sachverhalt unter Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Beweismittel zu erforschen. Die Beteiligten haben bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken und Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben (§ 76 Abs. 1 Sätze 2, 3 FGO). 

Bei einem Sachverhalt, der sich auf Vorgänge im Ausland bezieht, trifft den Steuerpflichtigen nach § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO eine erhöhte Aufklärungs- und Beweismittelbeschaffungspflicht. Insbesondere haben die Beteiligten nach § 90 Abs. 2 Satz 1 AO den Sachverhalt aufzuklären sowie die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen und dem FA oder dem FG zur Verfügung zu stellen (vgl. BFH-Urteil vom 07.11.2001 – I R 14/01, BFHE 197, 287, BStBl II 2002, 861, unter II.10.). Zu beachten bleibt jedoch, dass auch die erweiterte Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO auf Tatsachen beschränkt ist (BFH-Urteil in BFHE 241, 562, BStBl II 2014, 706, Rz 27, 29 ff.).

b) Unterliegt die Errichtung einer Vermögensmasse nach Maßgabe des Internationalen Privatrechts ausländischem Recht (ausländische Vermögensmasse), richtet sich die Auslegung des betreffenden Vertrags nach diesem ausländischen Recht (Vertragsstatut). Das schließt die einschlägigen –ausländischen– Auslegungsmethoden ein. §§ 133, 157 BGB finden keine Anwendung. Den von den Vertragsparteien im Vertragstext verwendeten Rechtsbegriffen ist allein die Bedeutung beizumessen, die ihnen nach der ausländischen Rechtsordnung zukommt. Letztlich hat das deutsche Gericht das ausländische Recht so anzuwenden, wie es die Gerichte des ausländischen Staates auslegen und anwenden würden

(vgl. BFH-Urteil in BFHE 260, 312, BStBl II 2018, 444, Rz 27 f.; BGH-Urteil vom 07.06.2016 – KZR 6/15 “Pechstein/International Skating Union”, BGHZ 210, 292, Rz 70, m.w.N.).

c) Eine Revision kann zwar nicht darauf gestützt werden, dass die Vorentscheidung auf der fehlerhaften Anwendung ausländischen Rechts beruhe, da ausländisches Recht nicht zum “Bundesrecht” i.S. des § 118 Abs. 1 Satz 1 FGO gehört. Vielmehr sind die Feststellungen über das Bestehen und den Inhalt ausländischen Rechts für das Revisionsgericht grundsätzlich bindend (§ 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 560 ZPO). Sie sind revisionsrechtlich wie Tatsachenfeststellungen zu behandeln. Hat das FG aber ausländisches Recht übersehen, tritt keine Bindungswirkung ein. Hat der Tatrichter eine Rechtsfrage, für die nicht revisibles Recht galt, nach revisiblem Recht entschieden oder umgekehrt, oder hat er einen Vertrag, auf den nicht revisibles Recht anzuwenden war, nach revisiblem Recht ausgelegt oder umgekehrt, dann bedeuten Anwendung bzw. Nichtanwendung revisiblen Rechts eine Verletzung revisibler Rechtssätze. Ein solcher Verstoß gegen (materielles) Bundesrecht ist vom BFH ohne Rüge zu berücksichtigen (BFH-Urteil in BFHE 260, 312, BStBl II 2018, 444, Rz 33 f.).

d) Von der von Amts wegen durchzuführenden Ermittlung ausländischen Rechts ist die Ermittlungspflicht des FG hinsichtlich des zugrundeliegenden Sachverhalts zu unterscheiden. Das FG ist als Tatsacheninstanz gemäß § 76 Abs. 1 FGO von Amts wegen verpflichtet, den Sachverhalt unter Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Beweismittel zu erforschen. Die Beteiligten haben bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken und Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben (§ 76 Abs. 1 Satz 2 FGO). Bei einem Sachverhalt, der sich auf Vorgänge im Ausland bezieht, trifft den Steuerpflichtigen nach § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO eine erhöhte Aufklärungs- und Beweismittelbeschaffungspflicht (BFH-Urteil in BFHE 241, 562, BStBl II 2014, 706, Rz 30 f.).

e) Bei dem Tatbestandsmerkmal des “Erwerbs” i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 1 ErbStG handelt es sich um eine steueranspruchsbegründende Tatsache, für die die Finanzbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren die objektive Beweislast (Feststellungslast) trägt. Zu der nach § 90 Abs. 2 AO gebotenen erhöhten Mitwirkung des Steuerpflichtigen kann jedoch gehören, dass Beweismittel –ggf. vorsorglich– beschafft und dem FA oder dem FG zur Verfügung gestellt werden (BFH-Urteil in BFHE 197, 287, BStBl II 2002, 861, unter II.10.).

4. Das FG ist von anderen Grundsätzen zur Anwendung ausländischen Rechts ausgegangen. Die Sache ist nicht spruchreif. Der BFH vermag auf Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht abschließend zu entscheiden, ob der Erwerb des Klägers i.S. von § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 1 ErbStG zu einem Zeitpunkt stattfand, zu dem der Kläger im Inland einen Wohnsitz hatte, und sich die Entscheidung deshalb im Ergebnis als richtig erweist.

Das FG hat keine Feststellungen zum anwendbaren ausländischen Recht getroffen, obgleich die Beteiligten dazu umfangreich vorgetragen haben. Das FG ist zwar auf der Grundlage der durch den Kläger vorgelegten Trusturkunde und der weiteren beigebrachten Unterlagen in der Gesamtwürdigung des vorliegenden Streitfalls zu der (möglichen) Auffassung gelangt, der Kläger habe zivilrechtliches Eigentum an den Vermögensgegenständen des Trusts erst im Jahr 2009 erhalten. Diese Würdigung lässt jedoch ihre Rechtsgrundlage nicht erkennen. 

Das FG hat nicht festgestellt, nach welchem ausländischen Recht die Trusturkunde auszulegen ist und was mit den Vermögensgegenständen des Trusts bei dessen Auflösung auf der Grundlage welcher ggf. ausländischen Rechtsordnung geschah. Diese Feststellungen wird das FG im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben und auf dieser Basis erneut über den Zeitpunkt des Erwerbs entscheiden.

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